Sonntag, 23. September 2012

Kastanien und Ameisen - Die LitOff im Schillerhaus



Erst fegte der Sturm eine Kastanie ins kleine Schillerhäuschen, dann kribbelten und krabbelten fiktive Ameisen über die Gäste. Literatursommer 2012 - 60 Jahre Literatur in und aus Baden-Württemberg: …Und das Schreiben geht weiter. Das zeigte sich beim Textforum der Literatur-Offensive am 18.9.12 im Museum Schillerhaus in unterschiedlichster Weise. Das Museum Schillerhaus war mit 22 Besuchern gut (aus)gefüllt. Das Textforum der Autorengruppe Die Literatur-Offensive kurz LitOff, empfing mit offenen Armen alle, die etwas vorlesen oder zuhören mochten, nur selbst gemacht musste es schon sein und auf keinen Fall veröffentlicht.

Sieben Autorinnen und Autoren stellten ihre Romanauszüge und Manuskripte von Kurzgeschichten sowie Gedichte zur Diskussion. Obwohl nur die Vornamen auf die Leseliste aufgenommen wurden, konnten doch einige Autoren wieder erkannt werden. Lothar  Seidler, Verleger des gleichnamigen Lothar Seidler Verlags, konnte man sogar zweifach wieder erkennen: Einerseits den Herrn an sich und anderseits den bekannten Protagonisten Eduard aus dem Fünf-Autoren-Roman „Nebelkopfhütte“.  Eduard ist mal wieder verliebt, diesmal in flirtende grüne Augen einer Lesbierin. Wo soll das wohl hinführen? Der geplante Episodenroman mit Eduard wird alle wohl noch hinlänglich auf die Folter spannen.    
Ameisen
Kleine schwarze Schweißperlen oder gar ein ganzer Ameisenhaufen für vier Nackedeien beim 68er Gruppensex? Die Ameisen trippelten mehrfach durch die authentischen Geschichten von Heidi Trumpp und selbst beim Romanauszug aus ungewöhnlicher Prosa von der Heidelberger Lyrikerin Hanna Leybrand kommt ein Ameisenhaufen vor. Ansonsten kommen beim Letzteren leider auch gerümpfte Nasen vor. Die einen wollen „mehr Schleimhaut“, den anderen ist es zu „langweilig“. Naja, manchmal geht es eben sehr ehrlich zu beim Textforum.
Vom gleichen Stamm
Die Brüder Frank und Marco Montalbano zogen es vor, Unterhaltung und Nachdenklichkeit in die Runde zu tragen. Während Frank D. beim Rezitieren einen zu Papier gebrachten rhythmischen und gereimten Wutausbruch über den Nibelungen-Feminismus-Streit vorbrachte (und das war nicht inszeniert), verließ sein Bruder die Realität mal kurz um eine mollige Blondine platzen zu lassen. „Platzt die nun wirklich, oder ist das eine weitere Ebene?“ Nun ja, ein Text ist es natürlich und der wird, wegen seines ungewöhnlichen neuen Stils, mehrfach gelobt.




Tomaten
… kann man in vielen Farben essen. Durchsichtige Mandarinen sollte man auch mal züchten, wegen der Kerne, meint der Protagonist von Ulrich Pomplums Geschichte „Tomaten“. Aber warum er genau vier Fleischtomaten in roter Farbe im Scheinwerferlicht betrachtet, bleibt rätselhaft, bis die furchtbare Wahrheit die Runde erzittern lässt. „Eine unglaubliche Geschichte“, meint einer, „am eindrücklichsten bleibt mir in Erinnerung, dass er Äpfel in allen Farben essen würde, aber nicht die schwarzen.“ Man nimmt eben immer etwas mit, von all den Geschichten, selbst die kleinen Wahrheiten bleiben im Licht der Fantasie rätselhaft und groß.
Das Gegenteil
… vom Gegenteil des Gegenteils will die Freundin des Protagonisten von Wilhelm Dreischulte. Immer will sie es anders herum. Doch dann sieht er sie im Fernsehen im gläsernen Sarg voll Kakerlaken: „Ich bin ein Star, holt mich hier raus!“. „Lasst sie drin“, schreit er den Bildschirm an, „sie will das Gegenteil“. Alles lacht. „Ach so“, sagt der Herr aus der letzten Reihe, „die war so ein TV-Sternchen?“ Das müsste man also dann doch früher wissen, kritisiert die Runde. „Lass sie doch im Supermarkt unter einem Berg von Erbsendosen verschwinden, dann bleibt die Geschichte im Alltag verwurzelt“. Naja, denke ich, die Kakerlaken fand ich besser, aber ich bin ja auch eine Frau („das Gegenteil vom Gegenteil vom Gegenteil“). 

Ende
Nach fast drei dreistündiger aufregender und lustiger Diskussion wünscht Frau Homering, die Leiterin des Museum Schillerhaus, noch einen guten Nachhauseweg und eine baldige Wiederholung des Textforums. Die Runde nickt und bleibt erschöpft noch bei Wein im gedämpften Licht und inmitten der herunter gefallenen Kastanien stehen. Was macht eine gelungene Diskussionsrunde aus? Manchmal ist es wohl ein magischer Moment, der mit Hilfe einer stürmischen Kastanie in einen kleinen Veranstaltungsraum hineinfliegt – vielleicht. 


Text: Anette Butzmann

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